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Interessantes zum Baum:

Mondän mit Flügelfrucht

Hölzerne Träume aus Fernost

Nur ein Nachklang vom Nimbus der Luxuriösität ist es, wenn heute in den Limousinen der obersten Klassen wie Maybach und Mercedes Amboina oder Amboina Maser in der Innenaustattung neben (gewöhnlichem) cremefarbenen Nappaleder verwendet wird. Amboina ist auch heute noch eines der "höchstpreisigen" Hölzer der Welt und wird nur in Zehntelmillimeterdicke für Armaturenbretter und in kleinen Stücken in Lenkrädern und Schaltknäufen verbaut.

Amboina kommt aus Südostasien, vornehmlich Indonesien und das ganz besondere Maserholz fast ausschließlich von den Molukken. Manchmal heißt es auch Manila Padouk oder Burma Rosewood, wenn es über reguläre und manchmal auch dunklere Kanäle in den Handel hier nach Europa kommt.

In Indonesien heißt der typischerweise 25 - 35 m hohe Baum Narra und ist dort als Schattenspender mit ausladender Krone und den typischen Flügelfrüchten in heißen Städten sehr beliebt. Er schützt durch seine Anpassung, dagegen selbst unempfindlich, vor Wind und Sturm und als Umfriedung von Feldern vor der Verwehung des Bodens. Der Narrabaum kann sogar Nitrate (Überdüngung!) binden und überschüssige somit beseitigen.

Sein Holz wird in Südostasien schon seit Jahrtausenden als stabiler, gut verarbeitbarer zudem dekorativer Baustoff mit exzellenten technischen Eigenschaften und widerstandsfähiges Material für Möbel, Musikinstrumente und Kunsthandwerk verwendet. Das Holz von Bäumen, die am Meeresufer wuchsen, ist sogar gegen Salzwasser unempfindlich, was es für den Bootsbau empfiehlt.

Das Herzholz der Stämme hat außerdem färbende Eigenschaften und wird zur Pigmentherstellung verwendet. Und alle Teile der Pflanze sind für irgendwelche medizinischen Anwendungen gut. In Vietnam war Narraholz so beliebt, dass der Baum dort seit 300 Jahren ausgestorben ist. vgl. [b]

Kolonialholz

Die Verwendung des teuren Holzes für teure Möbel und Luxusgegenstände kann bis in die europäischen Hafenstädte des 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Nur dort konnten Tischler und Holzbearbeiter dieses exotischen Materials habhaft werden, außerhalb der Häfen blieb es lange nahezu unbekannt. Amsterdam, London und Paris entwickelten sich in der Zeit des Handels mit kolonialen Waren zu Handelszentren auch von Amboinaholz. vgl. [5], 100f. Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Fürsten, Könige und potenten Auftraggeber auf das in Rot bis Orangegelb luxuriös leuchtende Holz aufmerksam wurden und nach Möbeln und anderen Accessoires daraus verlangten.

Kleckern statt ...

Exotische Hölzer sind seit jeher teuer und deshalb kamen schon die alten Ägypter auf die Idee, es in dünne Scheiben zu schneiden und auf billigere Materialien, die man dann ja nicht mehr sah, aufzukleben. Furnier nennt man das. Auch im Europa des 18. Jahrhundert entwickelte sich eine besondere Handwerkergattung, die gekonnt die kostspieligen exotischen Hölzer in sparsame dünne Schichten sägte. Mit diesem dünnschichtigen Material konnte man allerhand schöne Dinge fertigen: repräsentative Möbel aus Furnier, Intarsien. Wer so etwas bauen wollte, musste spezielle Fertigkeiten besitzen.

Bereits im 17. Jahrhundert sammelte der französische Sonnenkönig Louis XIV viele begabte Handwerker um sich, die für die Ausstattung seiner Residenzen zu sorgen hatten. Unter ihnen gab es auch spezielle Holzkünstler, die mit exotischen Hölzern möglichst sparsam Prunkvolles erschaffen sollten. Bei Möbeln wurden die Flächen mit Furnier überzogen und nur die Teile, die so nicht hergestellt werden konnten z. B. die Füße, Schmuckleisten, wurden aus massivem Holz gemacht. Die Meister dieser Kunst wurden wegen ihres Umgangs mit Ebenholz "Meister des Ebenholz" und dann bequemer Ebenisten genannt. vgl. [4], 69 In ihre Hände ging dann auch der Umgang mit dem Amboina aus den kolonialen Gebieten über. Die Bezeichnung Ebenist "blieb erhalten, obwohl gegen Ende der Regierung Ludwigs XIV. andere exotische Hölzer bevorzugt wurden." [ebd.]

AmboinaDas ganz "gewöhnliche" Amboina. Es wird aus dem Stammholz des Narrabaums gewonnen. Die Oberfläche dieses Stücks ist nur leicht geglättet und poliert, es ist gewissermaßen noch roh.

Alter Glanz in neuen Hütten

Zu neuem Ruhm kam das rötliche Holz mit dem mondänen Glanz in der Zeit des Art Deco um 1920. Art Deco war in erster Linie französisch und in gewisser Hinsicht eine Fortsetzung der feudalen Möbelkunst des späten 18. Jahrhunderts. Auch das Art Deco war Ausdruck von Luxus und heiterem Lebensgenuss für Eliten. vgl. [4], 115 u. 161f. Dabei scheint das Art Deco das Ergebnis der These Rokoko und seiner Antithese Klassizismus zu sein, die Bewegung des Jugendstil als Reaktion darauf mitgehend, aber gleichzeitig transzendierend: verspielter Luxus in strenger, geklärter Form, modern dem Leben – wenn auch dem elitären – zugewandt.

Verwirklicht bestand dieses komplexe opulent-spröde Stilkonglomerat aus edelsten Materialien wie kostspieligen Furnieren aus exotischen Hölzern mit Vorliebe für Makassar-Ebenholz, Schmuckelementen aus ebenso exotischen Ledern wie zum Beispiel Galuchat (die Haut des Katzenhais, auch bekannt als Chagrin), Beschlägen aus Elfenbein, Schildpatt und Schmiedeeisen, pointiert durch orientalische Techniken wie japanische Lackarbeit. vgl. [3], 12f.

Amboina MaserAmboina Maser ist das Holz von Wucherungen am Stamm, den sogenannten Maserknollen. Seltener und teurer noch. Auch dieses Stück hat nicht den Glanz, den es haben wird, wenn es sein Finish erhalten hat. Ein rechtes Lieblingsholz des Art Deco.

Der Amboina-Mann

Die berühmte Pariser Ausstellung für angewandte Kunst und moderne Industrieprodukte - die Exposition internationale des art décoratifs et industriels modernes - im Jahre 1925 rückte einen Mann „mit einem Schlag in die vorderste Linie der französischen Art-Deco-Bewegung“  ([3], 164): Jaques-Émile Ruhlmann, Sohn eines Händlers von Innendekoration wie Bildern, Tapeten und Spiegeln und nun gefeierter Star der französischen Möbeldesigner. „Wäre Frankreich in den zwanziger Jahren noch ein Monarchie gewesen, so hätte [er] sicherlich den Status eines königlichen Ebenisten gehabt. Seit 125 Jahren hatte man keine so exquisite Arbeit mehr gesehen wie die seine.“ ([3], 163) Ruhlmanns Entwürfe, die er in seinen Werkstätten durch eine Vielzahl von Spezialisten anfertigen ließ, gelten heute „als der Inbegriff des Art Deco, als das Non plus ultra dieses Stils.“ (ebd.) Für seine elitären Einzelstücke verwendete er ausschließlich die erlesensten und kostspieligsten Materialien. Bei den Hölzern favorisierte Ruhlmann Amboina, dessen kreisende Faserbewegungen in edlem Rotbraun und Orangegelb er in die Kombination mit Geometrien aus Elfenbeinlinien oder anderen kontrastierenden Materialien meisterhaft zu integrieren verstand.

Der Rest vom Fest

Heute sehen wir noch Rudimente dieser großen Zeit des Amboina: teure Taschenmesser mit Amboina-Griffschalen, gedrechseltes Schreibgerät, Armaturenbretter mit zehntelmillimeterdickem Amboina-Furnier und dann und wann einen Luxus-Humidor oder eine Amboina-Pfeife für Liebhaber einer ebenso anachronistischen Leidenschaft.

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Quellen und Wissenswertes:

Interessantes zu Amboina:

Ruhlmann-Möbelkunst in Deutschland: das Bröhan-Museum in Berlin Charlottenburg präsentiert vier Räume mit Möbeln des Art-Deco-Meisters link

In Büchern zu Amboina/Narra/Art deco:

[1] Colin Ridsdale, John White, Carol Usher, Bäume der Welt. Starnberg 2006, S. 207

[2] Nick Gibbs, Enzyklopädie Wohnen mit Holz. Köln 2006, S. 245

[3] Alastair Duncan, Art deco. Die Möbelkunst französischer Designer. Stuttgart 1986

[4] Edla Colsman: Möbel. Kleine Stilgeschichte des europäischen Möbel. Köln 2005, S. 161

[5] Michael Stürmer: Handwerk und höfische Kultur. Europäische Möbelkunst im 18. Jahrhundert. München 1982

Im Web zu Amboina:

[a] englische wikipedia: Artikel zu Pterocarpus indicus link

[b] Sehr informative pdf-Broschüre (englisch) zu Pterocarpus indicus. Von der botanischen Beschreibung, über Boden- und Klimavorlieben bis zur forstwirtschaftlichen und holzwirtschaftlichen Nutzung. Mit vielen sehenswerten Fotos. Lex A. J. Thomson, Pterocarpus indicus (narra); Species Profiles for Pacific Island Agroforestry (www.traditionaltree.org); April 2006 version 2.1 link

[c] Pterocarpus indicus; Rote Liste der bedrohten Arten des IUCN link

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