Interessantes zum Baum:
Während der sich über 200 Jahre hinziehenden Balkankriege mit den „Türken“ verpflichtete Ferdinand I. im Jahre 1554 (noch als König) den Flamen Ogier Ghislain de Busbecq (mitsamt dessen Arzt Willem Quackelbeen) als seinen Gesandten. Busbeqcs Aufgabe war es, zu Süleyman I, dem Sultan der Osmanen zu reisen und Friedensverhandlungen zu führen.
Das war eine eher undankbare Aufgabe, denn eine Reise in den Orient war derer Tage höchst beschwerlich und gefährlich. Und das nicht nur, weil die Osmanen Gesandte für die Einhaltung der mit ihnen geschlossenen Verträge in der Regel persönlich haftbar machten. [1]
Auch stellte sich der Zeitpunkt als extrem ungünstig heraus. Süleyman hatte gerade mit den Persern Frieden geschlossen und so bestand für ihn kaum Notwendigkeit, Frieden auch mit dem Westen zu halten. Busbecq bekam also lediglich so lange „Frieden“ zugestanden, wie er brauchen würde, diese Botschaft seines Misserfolgs zu überbringen: ein halbes Jahr. Also konnte die erste Reise Busbecqs keine glänzenden Erfolge vorweisen. Jedoch blühende. [ebd.]
Das kam so: Süleyman war gar nicht einfach zu erreichen gewesen, denn er hatte nicht in Istanbul geweilt, sondern in der alten Königsstadt Amasya in den Pontischen Bergen nahe der Schwarzmeerküste und der Grenze zu Persien. Busbecq und Quackelbeen mussten ihm unter Geleit in einem großen Bogen durch Kleinasien nachreisen.
Sie sahen dabei für Europäer ganz unbekannte Gegenden und Gegenstände. Busbeqc konnte eine (zwar unvollkommene) Abschrift eines (jedoch) verloren geglaubten Tatenberichts des römischen Kaisers Augustus link machen. Außerdem sammelte er bis dahin in Europa kaum bekannte Blumenzwiebeln: Tulpe, Hyazinthe und Kaiserkrone. Er übergab die wertvollen exotischen Blütenpflanzen bei seiner Rückkehr den Hofgärtnern von Wien. [ebd.]
Von einer zweiten, übrigens weit erfolgreicheren Reise (acht Jahre Waffenstillstand war der glänzende Erfolg) brachte er dann den Flieder mit, vermutlich recht kleine Setzlinge, nicht mehr. Quackelbeen hatte damals die Gelegenheit, ausgewachsenen Flieder zu zeichnen. Das war in jenem Jahrhundert eine von bloß vier existierenden Abbildungen des überaus exotischen Leylak, wie er im Türkischen hieß (und noch heute heißt).
Quackelbeens Zeichnung war später die Vorlage für einen venezianischen Holzschnitt von 1565. Dazu gab es folgenden Kommentar: „Die Pflanze, die wir hier abbilden, wurde aus Istanbul mitgebracht von Augherius de Busbecq. Es war nicht möglich, eine lebende Pflanze zu sehen, nur diese auf kunstvolle und sehr exakte Weise gezeichnete.“ [b] Nun ja, den Zeichner hätte man wenigstens beiläufig erwähnen sollen (zumal er Busbeqc und die Reisegruppe auf der ersten Reise vor der Pest rettete, der er selbst aber im Frühjahr 1561 in Istanbul während der zweiten Reise zum Opfer fiel).
Zwischen 1550 und 1650 tobte in den Gärten Mitteleuropas eine Revolution. Zahlreiche Residenzen und Lustschlösser wurden entsprechend dem neuen Stil der Zeit modernisiert und mit ihnen ihre Laune- und Lustgärten. In den Renaissace-Gärten hatten Zierpflanzen nun viel mehr Platz und es gab als Zeichen von weitreichenden Handelsbeziehungen und also Reichtum eine wachsende Zahl attraktiver Gewächse nicht nur aus Südeuropa, sondern auch aus Amerika und dem Vorderen Orient.
Entweder im Diplomatengepäck mitgeführt oder durch den ausgedehnten Handel Venedigs mit der Levante vorgelebt gab es nun Tulpen, Narzissen, Hyazinthen, Kaiserkronen und Ranunkeln, weiterhin Bäume und Sträucher wie Rosskastanie und eben auch Flieder.
Märchenhafte Botaniker wie der Niederländer Carolus Clusius, der von 1573 bis 1576 Hofbotaniker von Maximilian II. in Wien war und später Professor für Botanik an der Universität Leiden, förderten diese Entwicklung mit ihrer Liebe zu exotischen Pflanzen und ihren weitreichenden Kontakten.
So wurden Kartoffel, Tabak, Rosskastanie, Platane, Schwertlilie, Tulpe und viele andere Exoten bald europaweit bekannt. Natürlich tat auch die durch die Nützlichkeit dieser Pflanzen bedingte Akzeptanz bei den Menschen das ihre dazu.
Bis auf manchmal leichte Verwirrung bei der Benennung ist Flieder hierzulande recht normal und steht gerade heutzutage wieder in vielen Gärten: von weiß über violett, fast bis rot und alle Nuancen dazwischen, die Blüten schlicht oder gefüllt, den Duft auf Pferdestärke gekreuzt.
Man weiß schon gar nicht mehr, dass der Flieder nicht von hierzulande stammt. Wie denn auch, er blüht und gedeiht, sät sich oft selbst aus und wächst sogar wild. Weit ausgreifendes Wurzelwerk und Widerstandsfähigkeit lassen den Flieder auch an steinigen Hängen duftende Blüten treiben und so zum Vorbild jedes jungen Weichspülers werden.
Rechtzeitig zum Muttertag (meistens) stehen die Dolden mit schmeichelnden Gerüchen stramm gen Himmel und warten, gebrochen zu werden. Ein Schnitt ist übrigens gar nicht schlecht für den Flieder, doch den vom Nachbarn sollte man in Ruhe lassen.
Nur das mit dem Namen, ja. Flieder war ursprünglich der Name des Holunders und der hat ihn dem Osmanen erst mit Zusatz und dann ohne lassen müssen, braucht ihn aber manchmal noch. So ein Tee vom Flieder würde ja auch gar nicht schmecken und Beeren hat der Flieder auch nicht.
Farblich zwischen dem Gelbweiß des Splints und dem Braunviolett des Kerns, oft mit attraktiver Flammung und engen Jahresringen soll das Holz des Flieders durchaus zu den exotisch wirkenden Zierhölzern zählen. Dabei soll es hart und gut zu bearbeiten sein.
Doch es ist selten: Ausreichend große Stücke des Holzes findet man kaum, denn der Flieder ist in der Regel krumm (drehwüchsig) und fast unmöglich zu trocknen, eher reißt er, so heißt es.
Haben Sie schon Fliederholz gesehen? Es soll schön sein.
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Quellen und Wissenswertes:
Interessantes zu Flieder:
Die Fliedersammlung von Konrad Kircher im niedersächischen Wiefelstede (nahe Oldenburg) umfasst über 850 Zuchtsorten. Einen Einblick in Kirchers duftenden Fliedergarten ermöglicht der kurze, vom WDR 2009 produzierte Filmbeitrag "Schöne Fliederzeit". link
In Büchern zum Flieder:
[1] Karl Teply, Kaiserliche Gesandschaften ans Goldene Horn. Stuttgart 1969
[2] Artikel 'Gemeiner Flieder' in: Ulrich Hecker, Bäume und Sträucher. München 2006, S. 436 f.
[3] Siegfried Danert u.a., Urania Pflanzenreich. Blütenpflanzen 2. Berlin 2000, S. 163
[4] Roger Phillips und Martyn Rix, Sträucher. 1900 Sträucher in Farbe. München 1989, 156 -159. Beeindruckende Fliedervielfalt wird anhand der Blütenfotos deutlich. Auch die asiatischen Fliederarten und viele Vulgaris-Sorten werden vorgestellt.
Im Web zum Flieder:
[a] Zvezdana Poeplau, Wie der Flieder nach Mitteleuropa kam. Botaniker der Freien Universität Berlin weist die Herkunftsgeschichte des Flieders nach. Pressemitteilung der FU Berlin vom 13.Mai 2002, veröffentlicht beim Informationsdienst Wissenschaft e.V. (idw) link
[b] Thorsten Lichtblau, Flieder und Rosskastanie: Entdeckung und Wiederentdeckung. Pressemitteilung der FU Berlin vom 12.Juni 2001 veröffentlicht beim Informationsdienst Wissenschaft e.V. (idw) link
[c] Sabine Korsukéwitz, Geschichte der Gartenblume. Radiosendung mit Prof.Dr.Hans Werner Lack vom Botanischen Garten Berlin. Deutschland Radio Kultur vom 26. Mai 2004 link
[d] Karl-Dietrich Bühler, Der Flieder ist wieder im Kommen. Über die wieder erwachte Popularität eines aus der Mode gekommenen Gartengehölzes. Erschienen in der schweizer Fachzeitschrift "Der Gartenbau" Heft 21/2005. Link führt direkt zur pdf-Version des Zeitschriftenbeitrags. link
[e] Dagmar Hase, Wenn der Flieder wieder blüht. Hessischer Rundfunk. Radiobeitrag vom 3. Mai 2009. link und in die Suche "Flieder" eingeben, dann erster Eintrag.
[f] englische wikipedia: Artikel zu Syringa link