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Interessantes zum Baum:

Bittere Frucht
- Symbol eines sterbenden Zeitalters

Wie alles begann: der Streit
um die Menschheit

Der Gott des Meeres hieb seinen Trident voller Wut so tief in den Fels, dass salziges Meerwasser hervorschoss. Ein schlechter Verlierer im Wettstreit um das nützlichste Geschenk an die Menschen gegen Athene. Der erdgeborene, schlangenfüßige König Kekrops von Attika hatte sich ohne Zögern gegen das Superstreitross und für den hübschen Olivenbaum entschieden, den Athene hatte wachsen lassen. Zeus jedenfalls war erleichtert, den Sieg und damit die Herrschaft über Attika, der streitbaren, klugen Göttin zusprechen zu dürfen und nicht seinem bei jeder Gelegenheit überschäumenden Bruder Poseidon. [3]

Mit einem der menschenfreundlichsten Bäume hat Pallas Athene (Zeus' blauäugichte Tochter, die Unermüdliche, die Unüberwindliche) ihr Zeitalter begründet, das sich heute seinem Ende zuzuneigen scheint. Ist das der Tod der Künste, der Wissenschaften und des Handwerks, der Heroen, der Städte, des gepflegten Streits, der Weisheit? Das Ende der Olive jedenfalls scheint besiegelt.

Stachliger Kleinwuchs mit großem Potenzial

Die Mittelmeerkulturen, die ganze Antike (und natürlich auch unsere Kultur, die ja deren Ableger ist) sind ohne die Olive undenkbar. Man vermutet den Beginn ihrer Kultivierung im Nahen Osten bereits 4000 v. Chr. zur frühen Bronzezeit [a]; für die frühe minoische Kultur auf Kreta ab 2500 v. Chr. [2] Wahrscheinlich war die Olive ursprünglich gar keine Pflanze der mittelmeerischen Länder, sondern ist die Kulturform eines kleinen, unscheinbaren Strauchs aus den yemenitischen Bergen. "Dieser Baum ist so charakteristisch für die Landschaft am Mittelmeer, dass die Vermutung nahe liegt, die Olive stamme auch aus diesem Gebiet. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass sie sehr früh von der Arabischen Halbinsel eingeführt wurde und in der trockenen, öden Gebirgsregion zwischen Saudi Arabien und dem Jemen beheimatet ist. Man findet sie dort heute noch in natürlichen Beständen." [1] Dieses Oleaster genannte Gewächs ist ein kleiner Busch mit dornigen Trieben, kleinen Blättern und nur erbsengroßen Früchten mit kaum Ölgehalt.

Aber selbst diese Pflanze scheint wohl für die frühe Zivilisation des Nahen Ostens große Bedeutung gehabt zu haben. Anders ist kaum zu erklären, dass - so die Vermutung - nomadisierende Stämme die Pflanze als Botschaft des Respekts und des Friedens weitergaben. [a]

Eroberung der alten Welt

Die Olive verbreitete sich dann recht schnell in der damals bekannten Welt. Frucht und insbesondere Öl waren wichtiges Handelsgut und universell nutzbar als Nahrung, für Medizin und Kosmetik. Die Ägypter führten große Mengen Olivenöl aus Palästina ein und verwandten es für königliche Hautcreme und zum Einbalsamieren der Pharaonen. Den Handel mit Oliven und die damit verbundene Verbreitung der Pflanze dominierten erst die Minoer von Kreta [2 u. 4] und später die Phönizier [4, 254]. So kam die Olive nach Zypern, Nordafrika, Südspanien und auf die Inseln Sardinien, Sizilien und Ibiza.

Tausende von Jahren war die Olive in allen Ländern rund ums Mittelmeer ein mächtiges Symbol für Stärke, Geisteskraft, Läuterung, Fruchtbarkeit und Leben und nicht zuletzt auch Frieden, Sieg und Versöhnung. Bekanntermaßen in biblischen Zeiten (Noahs Taube) und natürlich auch in den antiken Kulturen Griechenlands und Roms: Olivenbäume und -haine waren heilig und wurden gehegt und gepflegt. Neugeborene erhielten einen Olivenzweig zur Begrüßung in der Welt der Lebenden. Die Sieger bei den Athenischen Sportfesten, den Panathenäen zu Ehren Athenes, erhielten große Amphoren mit Olivenöl und einen Kranz aus Olivenzweigen. Epheben (Jünglinge ab dem 18ten Lebensjahr während ihrer zweijährigen Ausbildung) lebten an den Stadtgrenzen und hatten die Pflicht, einen Ölbaum zu pflanzen und zu pflegen. [f] Durch die lange Zeit, die die Olive braucht, bis sie Frucht trägt, war sie der Generationenbaum schlechthin. Die mediteranen Bauern sagen noch heute, dass die Olive ein Baum sei, der den Menschen brauche und sonst nicht recht gedeihe. [e]

Die römische Athene hieß Minerva und auch ihr war die Olive geweiht. Siegreichen Helden wurde der Olivenzweig aufgesetzt, erst in Natura, später in Gold. Die Römer bauten den Obstbaum in so gut wie allen Küstenländern des Mittelmeers systematisch an und sorgten so für weite Verbreitung. Die Olive war die Freundin der Menschen, zu der Athene sie erkoren und hielt sie ohne Unterschied alle gesund. Viele machte sie reich.

Generationenholz

Kamelfigur

Auch das Holz der Olivenbäume galt und gilt seit alters als nützlich für Vielerlei. Die Keule des Herakles, eines Begünstigten der Athene wie Odysseus, war aus Olivenholz. Es ist außerordentlich hart und hat eine schöne Zeichnung. Wer kennt nicht die Kistchen und Kästchen, Salatbestecke, Messergriffe und Küchenwerkzeuge, geschnitzte Dromedare, ja Möbel aus Olive vom Mittelmeer.

Im antiken Athen durfte den Olivenbäumen nichts geschehen: "Das Roden eines Olivenbaums wurde bei den Griechen mit aller Schärfe geahndet. [...] Das Holz durfte nur zu bestimmten sakralen Zwecken verwendet werden [...]. Verbrannt wurde es nur auf den Altären der Götter, zu ihrem Ruhm. [...] Der Baum stand unter dem Schutz des Areopag [...]. Von hohen Geldstrafen, Beschlagnahmung sämtlicher Güter und Exilierung, bis hin zur Todesstrafe reichten die Mittel der Vergeltung für Olivenbaumfrevel." [5]

Die Heutigen fällen sie einfach, wenn sie nicht mehr richtig tragen. Dann sind die Oliven etwa 700 Jahre alt. Wo sie länger stehen dürfen, ist der Schatten, den sie spenden, wahrscheinlich wichtiger als die Frucht. Das Holz ist gutes Holz: selten und daher teuer, extrem dauerhaft, dicht und hart, sehr feinporig. [g] Das macht es unempfindlich und für Küchengerät so gut geeignet, es nimmt nicht einmal Gerüche an.

Die Rache eines schäumenden Gottes?

Zeit und Welt scheinen gegen den Baum der Athene aufgebracht worden zu sein. In den 80er Jahren starben Menschen in Spanien an vergiftetem Olivenöl. Immer wieder wurde Olivenöl mit diversen giftigen Substanzen entdeckt. [h] Die Olive wird oft ähnlich behandelt wie das Vieh in den modernen Großbetrieben, schlicht unmenschlich. Und das bei einem Baum, der immer der Freund des Menschen war. Soll die Vernunft mit Vernünftigkeit geschlagen werden? Früher übliche Bepflanzung der Olivenhaine mit der zuträglichen Mischung aus Olive, Mandel, Zitrusfrüchten und Weintrauben ist nicht subventionsfähig. Geld gibt es nur, wenn die Bäume im richtigen Abstand stehen, in Monokultur und dadurch oft krank. Aber es gibt schon etwas Lukrativeres: hochoptimierte, flachwurzelnde Hybrid-Oliven, die früh tragen und nach 15 Jahren ausgetauscht werden. Die Frucht ist fast geschmacklos, kann aber maschinell geernet werden. Über 200 verschiedene tiefwurzelnde Olivenarten mit Aroma werden verschwinden. Ganz wie bei den Äpfeln. [+]

In Griechenland und Italien werden alte von den Vätern geerbte Olivenhaine von ihren Besitzern abgeholzt. Das bringt ein bisschen Geld. Die Bauern haben Schulden, weil sie alles auf das falsche Pferd Tourismus gesetzt hatten. Das Olivenholz landet in Kaminen und Pizza-Öfen, manchmal macht man Klopapier daraus. [i] Eine einträglichere Möglichkeit der Kapitalbeschaffung durch Bereitstellung von Ackerboden oder Bauland ist die Brandstiftung in beiden Ländern. Nur manchmal geht das schief. 2007 brannten große Teile Griechenlands. Wälder, Buschland, Tiere, Menschen und große, alte Olivenhaine waren die Opfer. [j]

In Palästina versuchen israelische Siedler die Palästinenser zu vertreiben, indem sie deren Olivenhaine abholzen oder in Brand stecken. Im September 2008 verbrannten bei einer solchen Aktion mehr als 300 teils über 2000 Jahre alte Oliven noch aus der Römerzeit. Die israelische Polizei soll die Feuerwehr gehindert haben, die Feuer zu löschen. [k] Bestrafung für diesen Terror gibt es kaum. [l] Andere Olivenhaine von Palästinensern liegen heute für diese unerreichbar in miltärischen Sicherheitszonen, namentlich hinter dem neuen großen Zaun, der den Frieden sichern soll. Für dessen Bau wurden außerdem Olivenhaine entfernt, die einzelnen Bäume von Baggerkränen brachial aus der Erde gerissen und abtransportiert. [m]

Happy Olive-Tree-Friends

Schon während der 70er Jahre entstand die Mode, den Olivenbaum als Zierpflanze zu verwenden. Erstaunlicherweise entdeckte man den landschaftsgärtnerischen Wert der Olive in einer Zeit, in der immer mehr Olivenhaine Bauprojekten zum Opfer fielen. Und um den zukünftigen Temporär-Bewohnern dieser Bauten das "originale" Bild mediteranen Lebens zu bieten, wurde das Areal mit "echten" Olivenbäumen verziert.

Das gute Öl und die Früchte nach dem Sonnenurlaub dann auch im Heimatland genießen zu können, kochen können wie im Urlaubsland, mit Möbeln aus Olive wohnen, ist vielen heute längst nicht mehr genug. Olivenstämmchen stellt man sich nun im Kübel auf die Terrasse, pflanzt sich gar einen dieser knorrigen Bäume (wo hat man den ausgegraben?) in den Garten. Und wo die Winter immer milder werden und es inzwischen besondere (fast) winterharte Sorten gibt, versucht man es bereits mit deutschen Olivenplantagen. Was sagt man dazu?

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Quellen und Wissenswertes:

Interessantes zu Olive:

Eine liebevoll gestaltete und umfangreiche Site von Sarah Faulwetter: Geschichte und Botanik, Anbau, Ernte und Ölgewinnung, Wissenstand zu Gesundheit und chemischer Zusammensetzung und schließlich Rezepte. Illustriert mit vielen sprechenden Fotos und Abbildungen. link

[+] Der 'arteFakt Stifterfonds' von Conrad Bölicke unterstützt mit Hilfe von 'Olivenbaumpaten' Projekte in Apulien und auf Kreta zur Erhaltung des Kulturguts Ölbaum. Historische Olivengärten werden wiederhergestellt und als Landschaftsmuseen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine über vierhundert Jahre alte, baufällige Ölmühle wurde erworben, wo in Zukunft ein Museum für Olivenkultur entstehen soll.link

Über den Olivenanbau in Deutschland. Interessante Informationen aus erster Hand von Hartmut Schönherr.link

In Büchern zu Olive:

[1] Artikel 'Ölbaum, Olive' in: Keith Rushforth, Der Kosmos Baumführer. Die wichtigsten europäischen Arten leicht bestimmen. Stuttgart 2001, 198f.

[2] Artikel 'Olivenbaum' in: Colin Ridsdale, John White, Carol Usher, Bäume der Welt. Starnberg 2006, 330

[3] Ehrenfried Kluckert, Mythen und Sagen. Köln 2006, 46f.

[4] Marcel Brion, Die frühen Kulturen der Welt. Köln 1964

[5] Ralph Dutli, Oliven. Ein kulturgeschichtliches Mosaik. Zürich 2007, 10 (kostenlos beziehbares Heft aus der Schriftenreihe der Vontobel-Stiftung; sehr empfehlenswert!) link

Im Web zu Olive:

[a] wikipedia: Artikel zum Olivenbaum link

[b] Ines Carrasco, OLIVENÖL - DAS "GRÜNE GOLD". 26.März 2007 planet-wissen.de Site zur gleichnamigen Sendung der Rundfunkanstalten WDR, SWR und BR. Oben rechts finden sich Verweise zu weiteren Oliven-Artikeln von derselben Autorin, kommentierten Literaturtips und einem Kurzfilm über die Weiterverarbeitung nach der Olivenernte. link

[c] Heike Deissler, Zauber des Mittelmeers. Der Tagesspiegel 2.Februar 2008 link

[d] Olivenanbau im Herzen des Hérault. pdf-Touristenführer der südfranzösischen Association du Pays Coeur d’Hérault link

[e] Steckbrief Zeitmonumente: DER ÖLBAUM - "Der Baum des Friedens". db.zeitmonumente. Ein KunstKulturProjekt der Denkwerkstatt Glockenturm link

[f] Werner Wintersteiner, Das Mittelmeer im Klassenzimmer, in: Informationen zur Deutschdidaktik (ide) Heft 2/07 zum Thema "Mittelmeer", S. 94. Unserer Link führt zum Inhaltsverzeichnis, in Seitenmitte Link zur pdf mit genannten Artikel wählen link

[g] Holzbeschreibungen zu Olive und Wilde Olive (in der Liste mit Holzbildern) link

[h] zu vergiftetem Olivenöl in den 80ern link1 link2

[i] Gerd Höhler, Kahlschlag auf Korfu setzt Ölbäumen zu. Griechische Bauern holzen für ein paar Euro ganze Wälder ab; Frankfurter Rundschau 18.02.2005. Zu einem Nachdruck des Artikels in Hellas-Rhein-Main führt der Link link2

[j] Gerd Höhler, Griechische Feuer. Der tagesspiegel vom 26.August 2007 link

[k] fabik, Siedler legen Feuer in Olivenhainen. ISM (International Solidarity Movement) Germany vom 21. September 2008 link

[l] Der Olivenbaumkrieg der jüdischen Siedler, Artikel im "Transatlantikblog" von Site algore2008.de link

[m] Besatzungstruppen riegeln das Ackerland von Masha ab und beginnen mit dem Abholzen der Olivenhaine. StopTheWall.org vom 6. Juli 2005 link

[n] Im Westjordanland verderben gewalttätige Siedler und bürokratische Hürden den palästinensischen Bauern die Olivenernte vom 2. Januar 2011 link

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