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Interessantes zum Baum:

Integrierungswilliger Migrant mit Qualitäten

Dufte in den Städten

" ... und wir schritten dorfan, um der »Grelle« und ihren Anwohnern einen Besuch zu machen. Der Weg dahin führt durch eine Akazienallee und demnächst an einer ganzen Plantage von Akazien vorbei. Schon vorher war mir der besondere Reichtum des Dorfes an dieser Baumart aufgefallen. Man begegnet der Akazie überhaupt häufig in den Havelgegenden, aber vielleicht nirgends häufiger als hier. Es ist ein dankbarer Baum, mit jedem Boden zufrieden, und in seiner arabischen Heimat nicht verwöhnt, scheint er sich auf märkischem Sande mit einer Art Vorliebe eingelebt zu haben." [h]

Nicht nur Fontane bei seiner Wanderung in der Mark Brandenburg, auch dem Citoyen begegnet der Baum mit knorrigem Stamm, stark gefurchter Borke, gefiederten Blättern und den typischen weißgelben Blütentrauben. Auch der Stadtmensch kennt den wunderbaren Duft, den diese Bäume in lauen Frühsommernächten verströmen und damit an Verliebtsein erinnern.

Robinie in BlütePrächtig wie eine Braut: Eine Robinie, die in voller Blüte steht. Ein schöner, nützlicher und nicht zuletzt ästhetisch imposanter Parkbaum, der auch so einiges verträgt und deshalb oft an Autostraßen gepflanzt wird.

Später ärgern sich dann die Anwohner der Straßen, die dieser Baum schmückt, wenn sie erst die braun gewordene, matschige Blütenpracht und dann die Myriaden eiförmiger Blättchen von den Trottoirs beseitigen sollen. Oder wenn das Wurzelwerk die Pflasterung hochtreibt und die Sprösslinge den Vorgarten schmücken. Zum Ärger der Passanten neigt der Baum zum Austrieb von Stöcken an der Stammbasis und über den flachgründigen, ausufernden Wurzeln, an denen sehr gesund aussehende und durchaus wehrhafte Dornen stehen.

Die Rede ist mitnichten von der Akazie, die nur in den Subtropen gedeiht, hier müssen wir - zumindest zugunsten heutigen Sprachusus - Herrn Fontane korrigieren. Dem genauen Zeitgenossen ist dieser Baum als Robinie bekannt, die Linné - die erste und auch heute oft noch übliche Bezeichnung respektierend - mit dem Zusatz pseudoacacia versah. Eine subtropische Akazie hätte in der Mark kaum Chancen, Herr Fontane, Ihre Akazie stammt mitnichten aus Arabien. Sie kommt vielmehr aus Nordamerika. Um genauer zu sein, aus dem Hügelland der westlichen Appalachen. Aber wir müssen Herrn Fontane zugeben (und auch allen anderen, die den Baum nie anders nannten und kannten), dass es große Ähnlichkeit geben muss, die unsere Urgroßmütter und Urgroßväter den Baum dankbar als Akazienbaum des Nordens begrüßen ließ.

Ein Amerikaner in Paris

Carl von Linné erst stellte fest, dass der Baum aus der Neuen Welt, den alle (von) Welt Akazie nannte(n), gar keine war. Jedenfalls nicht im speziellen und systematischen Sinne. Ja, es gibt Gemeinsamkeiten, aber die gibt es auch zwischen Erbse und Bohne, die beide Leguminosen, zu deutsch Schmetterlingsblütler sind. Beide Akazien übrigens auch, die echte wie die "unächte". Gemeinsam ist jenen Suppenfrüchten und den hier besprochenen Bäumen und noch vielen weiteren ihrer Pflanzenfamilie die Fähigkeit, auch auf armen Böden gedeihen zu können, da sie mit Hilfe von Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln (Rhizobien) Luftstickstoff in den Boden binden und damit ihrer eigenen Verwertung zuführen können.

Der Gärtner, dem die Einbürgerung des Amerikaners mit dem hübschen Duft zugesprochen wird, nannte den Baum auch Akazie. Aus Respekt vor seiner Leistung nannte Linné den Baum nach dem Gärtner plus Akazie mit dem Zusatz unecht: pseudo. Summa summarum: Robinia pseudoacacia.

So ganz genau ist nicht belegt, wie die Robinie nach Europa kam. Der erste Nachweis stammt aus England vom Jahre 1634. [c] Oft werden für Paris frühere Daten angegeben. Der königliche Hofgärtner Jean Robin (1550 - 1629) und sein Sohn Vespasien sollen die falsche Akazie aus Virginia nach Frankreich eingeführt haben. [f]

John TradescantJohn Tradescant d. Ä., hatte Verbindungen zur Virginia Company of London. Vermutlich hat er die Robiniensamen aus Virginia mitgebracht und Vater und Sohn Robin überlassen.
Bild gemalt von Cornelis de Neve, Ausschnitt

Andere sagen, Vater und Sohn hätten die Saat von dem englischen Botaniker John Tradescant d. Ä. bekommen, der in Verbindung mit der Virginia Company of London stand, einer Gesellschaft, deren Ziel die englische Besiedlung Nordamerikas war. Die Pariser sind jedenfalls überzeugt, dass die Robins den ersten Baum am Place de Dauphin in Paris pflanzten. Zwei seiner Nachkommen kann man heute noch an der Grünanlage René-Viviani nahe der Kirche St.-Julien-le-Pauvre und im Jardin des Plants bewundern. Erstgenannter soll von 1601 sein, der zweite von 1636. Sie gelten als die ältesten Bäume von Paris. [d]

... und anderswo als exotische Schönheit mit hohem Nutzwert

Schmucke, süß duftende Blütenkaskaden in edlem Weiß, das fiedrig leichte, aber dichte Blattwerk, die mächtige, wolkenförmige Krone und die urwüchsig-sympathische Borke machten den Exoten als Zierbaum in Parks und an Straßen attraktiv. Dass der Baum zudem noch der Akazie stark ähnelt, aber sich in nördlichen Gefilden problemlos pflanzen lässt, erfreute doppelt. Arkadien war so ganz nah. Und so gelangte die Robinie schon 1670 nach Deutschland, 1726 erreichte sie Italien. [a] Danach stand ihr die Welt offen.

Dieser Tage ist der einstmals so elegante Stadtbaum „Fremdgehölz mit größter Ausbreitung in Europa, Nordafrika, West- und Ostasien.“ [1] Letzteres verdankt die Robinie aber kaum ihrem Duft oder ihrer Schönheit noch ihrer unkomplizierten Eleganz, sondern neben ihrem Ausbreitungsdrang der Tatsache, dass sie ein nahezu unverwüstliches, hartes, doch schnell wachsendes Holz besitzt.

Blüter RobinieWeiß, leicht und duftig. Vor allem in den frühen Nachstunden regelrecht einlullend der Duft. Für Bienen ist sie eine zu bestäubende Schönheit.

Die Akazie vom ersten Fritz in Britz

Ob es eine Rolle gespielt hat, dass die Akazie bei Freimaurern ein Symbol für ewiges Leben und Wiedergeburt ist, als König Friedrich I. von Preussen seinem Minister Rüdiger von Illgen eine (pseudo-)Akazie schenkte? Illgen pflanzte den Baum in seinem barocken Park Britz. Der König hatte das Ziergehölz im Jahre 1709 von einer Amerikareise mitgebracht. Wer heute nach Berlin kommt oder in Brandenburg herumfährt, dem fallen die unzähligen kleinen und großen Robinien (dazulande oft noch Akazien genannt) auf. Die Britzer Robinie soll die Mutter aller Robinien in Berlin sein, sie wurde erst 1952 gefällt. Der Baum mit dem Stammumfang von fünf Metern war bereits seit 1937 tot. [+], [i]

Den Vater aller Robinien „in Spree- und Havelland“ pflanzte Friedrich der Grosse in Sanssouci. [h] Da war die Robinie in Stadt und Mark schon in Mode. Die Berliner und die Märkischen waren von dem duften Baum genauso begeistert wie die Pariser. Noch heute findet man in Berlin und Brandenburg viel Akazien-Dies und Akazien-Das.

Ein aufrechtes, aber krummes, hölzernes Eisen

Stamm RobinieArchaisch wirkende Borke an einer alten Robinie. Aber obenrum ist alles jung, frisch und lustig.
Alle Jahre wieder.

Der Neophyt (Einwanderer in Pflanzengestalt) Robinie passt auf märkischen Boden wie die Faust aufs Auge. Das einzige, was sie nicht mag, ist Staunässe im Boden. Ansonsten ist sie anspruchslos und ausbreitungswillig. Vor allem, wenn ihr Standort warm ist. Der sandige, trockene Boden Brandenburgs war und ist für den attraktiven Baum ideal. Er wächst auch da, wo kein Gras mehr wächst, typischer Vertreter der Gattung Pionierbaum.

Dass die Robinie nicht nur Schmuckbaum ist, sondern auch eine Bienenweide (mit leckersüßem Ergebnis von klarer Konsistenz und hohem Fruktosegehalt) und ein ganz spezielles Holz liefert, registrierten die Märkischen recht bald. Man hoffte sogar mit dieser Schnellwachsenden und Genügsamen „der zuvor durch jahrhundertelang ungeregelte – in Waldvernichtung resultierender – Übernutzung entstandenen Holznot durch den Anbau der Robinie kurzfristig begegnen zu können“ [a] 1790 schrieb der Oberforstmeister F. v. Burgsdorf: „Sie wird mit der Zeit ein wahres Kleinod und die Zierde unserer deutschen Laubforsten werden.“ [+] Das Holz der Robinie ist fast perfekt. Es ist attraktiv, hat eine freundliche Färbung von gelb bis dunkelbraun, oft mit roter Flammung. Es ist extrem biegsam, aber fest. Dazu extrem dauerhaft und feuchtigkeitsunempfindlich. Naturimprägniert, ja, das Kernholz enthält Giftstoffe, die eine Zersetzung verhindern und eine Schutzbehandlung unnötig machen. Zwar fault die dünne äußere Schicht Splintholz schnell ab, aber was übrig bleibt, ist dauernder als Eisen.

Holz der RobinieGelb bis dunkelbraun mit großzügiger Maserung ist das Holz der Robinie. Hier eröffnet das Ergebnis eines Schnitts an einer Straße den Blick darauf.

Aus den Appalachen, der Heimat der Robinie, wird von 110-jährigen Zaunpfählen berichtet, die nach dem Ausgraben für den gleichen Zweck wieder verkauft werden konnten. Das macht das Robinienholz so geeignet für Holz mit Erd- (Pfähle, Masten, Stangen) und Wasserkontakt (Schindeln, Schiffsnägel, Ruder, Gartengestühl, Brücken, Stege, Spielplatzgeräte). Seine Elastizität und Dauerhaftigkeit prädestiniert es für Sportgerät, Fenster und Türen, Fußboden, Treppen, Werkzeugstiele. Es wurde (und wird?) auch gerne als Grubenholz eingesetzt, weil es richtig Krach macht, wenn es zu brechen droht. Sehr schwundarm kann man Flitzebögen (wie die Indianer es taten) und Eisenbahnschwellen daraus machen. Außerdem brennt es gut.

Borke RobinieAttraktives Formenspiel der Borke einer Straßenrobinie. Oft werden gerade Kinder darauf aufmerksam. Die Robinie ist der ideale Stadtbaum und ist sogar kulturpädagogisch wertvoll. Ökologische Kreisläufe können anhand der Robinie gut anschaulich gemacht werden.

Robinie ist widerstandsfähiger und dauerhafter als deutsche Eiche, es ist so hart, dass man es zwar beim Drechseln gut formen kann, sich aber die Werkzeuge ruiniert. Ja, und wäre da nicht der Übelkeit erregende, säuerlich beißende, unangenehm rübenartige Gestank, den die giftige Substanz im Holz verströmt, wenn der Baum gefällt wird. Manche müssen davon erbrechen und bekommen Durchfall. Ja, und wären da nicht Krummschäftigkeit, Unrundheit und Zwieselwuchs, die lange, gerade Stämme und somit brauchbare Bohlen und Dielen unmöglich machen. Insofern ein durch und durch unmodernes Holz und infolge von Forstleuten bislang eher gering geschätzt. [+]

Phönix auf Schutt und Asche

Wer heute mit der Eisenbahn nach Berlin kommt (es darf auch der ICE sein, denn der fährt dort langsam), trifft immer noch auf die vielen Robinien entlang der Trassen. [g] Sie sind die Kinder der Pseudoakazien, die nach dem Weltkrieg II die Trümmerschuttflächen mit frischem Grün bedeckten und so – wahrscheinlich – den Menschen neue Hoffnung und den Duft in Frühsommernächten schenkten, vielleicht auch manchen Brennholzscheit. Desgleichen in Leipzig, Stuttgart, Köln: aus dem Parkbaum wurde die Blüte des Neuanfangs nach dunkler Zeit. [a] Auch die falsche Akazie kann für Wiedergeburt stehen, sie hat diese Kraft durchaus.

Robinie ÄsteKrummer geht's nimmer. Schlangenförmige obere Äste der Robinie. Am Stamm sieht es auch nicht viel anders aus, ein durch und durch unmodernes Holz und gar nicht gut für ein gerades Brett.

Geschenk oder Revanche der Native Americans?

Viel Gutes gibt uns die Robinie. Die Geringschätzung der Forstleute weicht heute einem Umdenken: Für die Aufforstung von Grenzertragsböden und stillgelegten Landwirtschaftsflächen gibt es keinen vergleichbar geeigneten Baum, der nicht nur vielseitig nutzbares Holz produziert, sondern auch den Boden verbessert. Die sogenannten Kurzumtriebsplantagen produzieren insbesondere nachwachsende Brennstoffe aus dem Holz. [e]

Aber weil die Robinie so genügsam ist und eigentlich nicht hierhergehört, sondern nach den westlichen Appalachen, und also nach anderen Regeln spielt, wird sie oft auch als „invasiver Neophyt“ gesehen, als ökologisches Problem. [c] In ihrer Heimat ist die Robinie ein Pionierbaum, der nach Waldbränden oder Kahlschlag das Areal renaturiert und dann nach etwa 20 bis 30 Jahren von einheimischen, höher wachsenden Arten verdrängt wird. Ein Sanitäter sozusagen, der weiß, wann er nicht mehr gebraucht wird. In den (einigermaßen) nativen Waldbeständen der Appalachen beträgt der Anteil der Robinie weniger als vier Prozent. [a]

Nicht so in den anderen Teilen der Welt. Wo ihr Wildwuchs nicht kontrollierend und aktiv eingedämmt wird, reduziert die Robinie die Artenvielfalt erheblich. Geschlossene Robinienbestände wie z. B. auf Trockenrasengebieten in Ungarn sind wegen der Verbreitung über Wurzelsprosse für die sowieso bedrohte Kleinvegetation (fast alle auf der Roten Liste) düster wie Buchenwälder. [a]

Nichtsdestotrotz: Machen Sie einen Spaziergang. Riechen Sie den Duft von König Friedrichs, Fontanes, Tucholskys Akazie?

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Quellen und Wissenswertes:

Interessantes zur Robinie:

[+] Der Waldpädagoge und Förster Klaus Radestock schreibt in erfrischender Weise und sehr bildhafter Sprache: "Waldbote" 25 'Robinien-Holz' Februar 1993. Faltblattreihe herausgegeben vom 'Haus des Waldes' (HdW, Waldpädagogik-Zentrum der Landesforstverwaltung Brandenburg) und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW). Link führt zur einer Liste der "Waldboten"-Reihe, hier nach 'Robinien-Holz' suchen und Faltblatt als pdf laden. link

Die Anfang des 20. Jahrhunderts gepflanzten Robinien auf dem kürzlich (2001) sanierten Tuchollaplatz im Berliner Wohngebiet Victoriastadt (Stadtbezirk Lichtenberg) sind heute beeindruckende, hochgewachsene Bäume. Site der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung link

Spezialisiert auf die Verarbeitung von Robinienholz sind die beiden Drechslermeister Anne und Reinhard Henkys. Spinnräder und Notenständer fertigen sie in ihrer Werkstatt im uckermärkischen Wallmow, nordöstlich der Kleinstadt Prenzlau. link

In Büchern zur Robinie:

[1] Artikel 'Robinie' in: Ulrich Hecker, Bäume und Sträucher. München 2006, S. 380f.

[2] Peter Schütt, Robinia pseudoacacia Linné, 1753. Robinie, Falsche Akazie, in: ders., Enzyklopädie der Laubbäume. Die große Enzyklopädie mit über 800 Farbfotos unter Mitwirkung von 30 Experten. Hamburg 2006, S.513-528

Im Web zur Robinie:

[a] wikipedia: Artikel zu Gewöhnliche Robinie link

[b] wikipedia: Artikel zu Jean Robin link

[c] Uwe Starfinger und Ingo Kowarik, pdf-Artensteckbrief zu Robinia pseudoacacia L. (Fabaceae), Robinie. 16.August 2007, TU Berlin link

[d] französische wikipedia: Artikel zu Robinier faux-acacia link

[e] Ralf Nestler, Strom aus Holz. Berliner Zeitung vom 21. Juni 2008 link

[f] Robinia pseudoacacia. A tree species reference and selection guide. AgroForestryTree Database. Baumdatenbank des ICRAF (INTERNATIONAL CENTER FOR RESEARCH IN AGROFORESTRY) link

[g] Silke Böttcher, Ein Urwald mitten in der Hauptstadt. Berliner Morgenpost vom 8. Juli 2006 link

[h] Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ost-Havelland. Berlin 1873. Zitiert nach Literaturport, dem Internet-Literaturhafen-Projekt des Brandenburgischen Literaturbüros und des Literarischen Colloquiums Berlin. link

[i] Stadtbäume. Der Ginkgo im Gutspark Britz. Site der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung link

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